Artenvielfalt in der Stadt 

Lebensraum für Mensch UND Tier sichern

Städte sind gemeinsamer Lebensraum von 
Menschen UND Tieren


In unserem Lichtschacht wohnt(e) seit über 15 Jahren eine Krötenfamilie. 




Es ist wirklich nicht leicht, in unserem täglichen Handeln immer das große Ganze zu sehen, anderen ungeliebten Lebewesen und Pflanzen ihren Raum in unserer gemeinsamen Umwelt zuzugestehen.

Wie viele andere in der Gartenstadt Neu-Tempelhof, lebe ich gern und eng mit einem Haustier zusammen. Wenn es um den gemeinsamen Lebensraum mit Wildtieren geht, wird es schon schwieriger. Ohne die emotionale Bindung zum Tier ist die Bereitschaft zum Teilen unseres gemeinsamen Lebensraumes nicht so ausgeprägt. Wir alle freuen uns über Vögel, bunte Schmetterlinge und vielleicht noch über Wildbienen. Aber das Vogelnest an der Hauswand im Efeu, aus dem regelmäßig etwas nach unten auf meinen Terrassentisch fällt, strapaziert meine Toleranz. Auch der Specht, der ein Loch in den Putz einer Hausfassade hackt, um eine Höhle in der Fassadendämmung dahinter einzurichten, ist nicht gern gesehen. Die faszinierenden Käuzchen, die sich regelmäßig im Frühjahr in der Gartenstadt niederlassen und während der Balz nachts so laut rufen, dass der Schlaf manchmal schwierig bis unmöglich wird, stören uns ganz schön. Und bei Mücken oder Schnecken endet unser Verständnis. Viel zu schnell sind wir auch dabei, in unseren Gärten alte Bäume zu fällen, Brennesseln oder anderen vermeintlich störenden Arten den Kampf anzusagen, den Rasen so kurz zu mähen, dass Insekten und Kleinstlebewesen keine Chance haben und Gräser erst gar nicht zur Blüte kommen. 




Manchmal sind wir uns am Fenster begegnet. Seit 2 Jahren habe ich sie nicht  gesehen – vielleicht hätten sie mehr Wasser gebraucht...?


Menschliches Leben ist vollständig abhängig von der biologischen Vielfalt. Mit welchem Recht könnten wir eine Vorrangstellung in der gemeinsamen Welt beanspruchen?


Wir Menschen sind, wie alles existierende Leben, Teil des planetaren Ökosystems und absolut davon abhängig. Die Natur ist unsere Existenzgrundlage. Unzählige Arten halten den Kreislauf des Lebens in Gang. Ein unüberschaubar komplexes System von Organismen und Arten sorgt für saubere Luft, klares Wasser, produziert fruchtbaren Boden, lässt Pflanzennahrung wachsen und ist selbst Nahrung für andere Arten, vor allem für uns Menschen. Ohne biologische Vielfalt haben auch wir Menschen keine Zukunft auf der Erde. 

Aber es ist überhaupt nicht einfach, unser eigenes Umwelt-Handeln damit in Einklang zu bringen. Wir wollen unser sorgsam herangezogenes Gemüse schließlich nicht den Schnecken oder anderen sogenannten Schädlingen überlassen. Biodiversitätsexpertin Dr. Frauke Fischer betont, dass Biodiversitätskrise das größte Problem für unser Überleben darstellt – die Ausrottung der Arten ist unumkehrbar. Neben der Artenvielfalt sind auch die genetische (Arten)Vielfalt und die Ökosystemvielfalt überlebenswichtig – und auch das Klima hänge davon ab, sagt Dr. Frauke Fischer. Insgesamt wissen wir noch wenig über das biologische Zusammenspiel in den Ökosystemen und die Verbundenheit zwischen den Arten.

Mehr über die Hintergründe/ Literatur-Tipp: Frauke Fischer, „Was hat die Mücke je für uns getan?“ und „Wal Macht Wetter“ (Umweltmedienpreis).



Ein funktionierendes 
Ökosystem 
ist die Basis unseres 
Wirtschaftssystems

Weltweite Ökosystemleistungen 2011: 
117 Billionen €

Weltweites Bruttosozialprodukt 2011:
68 Billionen €
...41 Billionen € davon sind von den Leistungen von Ökosystemen abhängig!


(Quelle:  Dr. Frauke Fischer; DGNB Jahreskonferenz 15.2.2023) 

Was hat biologische Vielfalt mit 
Stadtentwicklung zu tun? 

77% der Deutschen leben in Städten oder Ballungsräumen. Laut Umweltbundesamt verbraucht Deutschland für Verkehrs- und Siedlungsflächen immer noch zu viel Boden (pro Tag 73 Fußballfelder oder 52 Ha). Der Zuzug in die Städte sorgt für mehr Bodenversiegelung, oft werden auch Grünflächen überbaut. Die zunehmende Versiegelung von Böden entzieht Tieren und Pflanzen die Lebensgrundlage. In vielen Großstädten fehlen vernetzte Grünräume und Blühflächen, die die Grundlage für Ökosystem-Vielfalt darstellen. Die Verdichtung von Stadträumen ist einer der Haupttreiber für den Rückgang der Insektenbiomasse, v.a. offene Bodenstellen sind im dicht bebauten Siedlungsraum rar, was sich negativ auf Bestäuberinsekten auswirkt. 
Ein weiteres großes Problem stellt die Lichtverschmutzung in den großen Städten dar – auch nachts wird es nicht richtig dunkel. Dadurch sterben massenhaft Insekten, Zugvögel verlieren die Orientierung (Foto: Dr. Frauke Fischer; DGNB Jahreskonferenz 15.2.2023)

Der urbane Raum bietet viele Möglichkeiten positiv auf die Artenvielfalt zu wirken.

 Ausführliche Informationen zu bestäuberfreundlichen Staudenpflanzungen: Download Broschüre, (s. Abb.) 

Kleine Biotope in der Stadt schaffen:
59 Mio. Balkonbesitzende in Deutschland können Trittstein-Biotope schaffen, damit Insekten von Balkon zu Balkon wandern können: Video Artenvielfalt auf dem Balkon

Insektenhotel bauen und befüllen (Anleitungen der Baufachfrauen Berlin e.V.; Initiative grüne Schulhöfe)

Entsiegeln schafft neue Lebensräume für Artenvielfalt 

Grün statt grau! Schulhof für die Zukunft fordern! (Deutsche Umwelthilfe)

Auch interessant, was anderswo passiert:
Tote Bereiche der Stadt wieder beleben:
Aus grau mach grün
:
Die Asphaltknackerrinnen aus der Schweiz



Rote Liste zum Artensterben in Deutschland (12/23):    

32 % der Wirbellosen 

31 % der Pflanzen 

23 % der Pilze und Flechten sind bestandsgefährdet 

41 % der Säugetiere sind bestandsgefährdet oder ausgestorben 

75 % Verlust an Insekten-Biomasse innerh. der letzten 27 Jahre 

Weltweit: 

1 Millionen Arten kurz vor dem Aussterben
25 % der Tier und Pflanzenarten gefährdet

Mehr über den Zusammenhang:
BIODIVERSITÄT – ARTENSTERBEN - KLIMAWANDEL
und was wir dagegen tun können...

Und als kleinen Beitrag im täglichen Leben können wir in unserem direkten Handlungsumfeld Wasser für Wildtiere bereitstellen.

Die Blau-grüne Stadt: 
ein Gewinn für Tiere und Menschen!

Die Integration von Wasser, die Begrünung von Bodenflächen, Fassaden und Dächern von Gebäuden kann die Artenvielfalt in großen Städten aktiv fördern, die Temperaturen an heißen Sommertagen erträglicher halten und Starkregen aufnehmen. Solche grünen und blauen Elemente in die Städte zu integrieren („blau-grüne Stadtentwicklung“), wird auch für uns Menschen zukünftig sehr wichtig werden, wenn Großstädte trotz zunehmender sommerlicher Hitze lebenswert sein sollen. 

Fassade in Berlin Kreuzberg (Foto: Antje Bruno)

Fassadenbegrünung
: Welche Kletterpflanzen eignen sich?


Grün-blauer Stadtumbau – Zukunftsvision für Pforzheim 
(Visualisierung Jens Alemann, Creative Commons BY-NC-SA 4.0)

Reales Beispiel für die Re-Integration von Wasser in der Stadt:
Offenlegung des Flusses Sieg in Siegen: Statt Autoverkehr fließt der renaturierte Fluss durch die Innenstadt
https://baukultur.nrw/artikel/die-renaturierung-der-sieg/ 

Mehr zum Thema Artenvielfalt auf der Konferenz der Tiere am 28. September im Westfeldgarten auf dem Tempelhofer Feld .


Übrigens, das Tempelhofer Feld ist ein überaus wichtiger Ort für die Artenvielfalt in Berlin!